Die optimale Gesellschaft der Zukunft und wie wir sie heute beeinflussen

26. März 2020

Theresa Hannigs Roman über die Optimierung der Gesellschaft habe ich vor ein paar Monaten gelesen. Unsere aktuelle Situation, in der Staaten angesichts der Corona Pandemie völlig neue Entscheidungen treffen müssen und unser Leben sich in nie vorhergesehener Weise ändert, lässt mich die im Roman beschriebene Dystopie in einem neuen Kontext sehen. 

Ich mag Romane, die in einer nicht so fernen Zukunft spielen und sich ein Thema herausgreifen, um daraus eine Geschichte zu entwickeln. In Theresa Hannigs „Die Optimierer“ geht es um eine Europäische Gemeinschaft, die sich mit einem Zaun vom Rest der Welt abgekapselt hat, um durch das Mantra der Optimierung eine perfekte und optimale Gesellschaft zu schaffen. Das zentrale Motto lautet „Jeder an seinem Platz“. Der Protagonist Samson ist ein absoluter Verfechter dieser Ideologie und kommt im Laufe des Romans dahinter, was Technologie und menschliche Schwächen aus dem idealen Konzept des selbstlosen Dienens für alle machen können.

Optimierung durch Technologie und Verbote 

Der Gesamtplot ist dabei wenig aufregend und das Ende offen, damit die Geschichte in Band 2 weitergehen kann. Aber es sind die vielen kleinen Details, mit denen Theresa Hannig ein sehr konkretes Bild dieser Zukunft im Jahr 2052 zeichnet. Es sind die Details in Routinen und die Beschreibungen der Empfindungen von Menschen, die unter dem Einfluss von Technologie leben, die einen eintauchen lassen in diese Dystopie.

Damit steht nicht mehr die Geschichte um Samson im Vordergrund, sondern die Zeitreise, die wir mit diesem Roman machen können. Eine Zeitreise in eine Welt, 

  • in der der Konsum von Fleisch verboten ist, weil die Produktion von Fleisch nicht gut für unseren Planeten ist; 
  • in der selber Auto fahren einer Ausnahmegenehmigung bedarf, weil wir Menschen schlechter Auto fahren als Maschinen;
  • in der wir Menschen durch Sozialpunkte dazu erzogen werden, erwünschte Handlungen vorzunehmen und uns anzupassen;
  • in der eine erfüllende Arbeit und ein anerkannter Platz in der Gesellschaft über den persönlichen Interessen stehen.

Wo endet die persönliche Freiheit?

Die Summe all dieser Optimierungen der Individuen für die ideale Gesellschaft empfinden wir heute als persönliche Unfreiheit. Aber wo genau ist die Grenze? Was geben wir in Zukunft an persönlicher Freiheit auf, um unseren Planeten bewohnbar zu erhalten? Und welche Teile der Überprüfung dieser Regeln übertragen wir an Maschinen? Diese sorgen zwar für Gerechtigkeit bei der Überwachung von Regeln, manifestieren aber unsere eigene Unfreiheit, weil wir keinen Spielraum für eigene Individualität mehr haben.

Für mich steckt in diesem Roman weit mehr als die ganz nette Geschichte. Der Roman bringt unsere Situation auf den Punkt und macht uns deutlich, was wir in den nächsten Jahren als Menschen zu entscheiden haben im Spannungsfeld von Lebensfähigkeit, persönlicher Freiheit und dem Einsatz von Technologie.

Die Optimierung unserer Welt – eine Gemeinschaftsaufgabe

Mit den Erfahrungen, die wir als Menschen und als Gesellschaft in diesen Wochen aufgrund der Corona-Pandemie machen, werden sich unsere Prioritäten hinsichtlich der Bewertung von Technologien und Erwartungen an Gesellschaft und Staat deutlich verschieben. Wir sind plötzlich bereit, uns in unserer persönlichen (Bewegungs)freiheit einzuschränken. Es wird diskutiert, in wie weit Bewegungsdaten von Handys ausgewertet werden, um festzustellen, ob Menschen sich an die Regeln halten. Angestellte, Schüler und Studenten arbeiten und lernen im HomeOffice mit allen Vor- und Nachteilen. Und wir bekommen einen völlig neuen Blick und deutliche Wertschätzung für Berufe im Gesundheitswesen und der Versorgung für den täglichen Bedarf.

Ich denke, als positive Folge der Pandemie werden sich deutlich mehr Menschen aktiv damit auseinandersetzen und mitdiskutieren, wie wir unsere Zukunft als Gesellschaft und im Hinblick auf den Einsatz von Technologien gestalten wollen. 

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Theresa Hannig 
Die Optimierer: Roman
Lübbe, 304 Seiten, 10,00 Euro
Kindle-Ausgabe 6,99 Euro

Quelle:
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