Digitale Plattform Geschäftsmodelle als B2B Wertnetzwerke für die Post-Corona Zeit

24. Juni 2020

Mit und nach dieser Krise soll ja alles anders werden. Nicht nur der Kapitalismus soll sich verändern, sondern die ganze Globalisierung wird von einigen Ökonomen durch den Virus in Frage gestellt

Mit Sicherheit also ein guter Zeitpunkt, sich die Mechanismen der Wert-Generierung von XaaS und digitalen Plattform Geschäftsmodellen aus dem Blickwinkel der Netzwerk-Theorie ein wenig genauer anzuschauen.

B2C Plattformen

Bei den Consumer getriebenen XaaS und Plattform Geschäftsmodellen haben wir in den vergangenen Jahren einen massiven Hype erlebt, in den letzten 12 Monaten aber auch vermehrt Kritik vernommen. Aus Investoren-Sicht werden die Modelle immer noch geliebt. Nach Peter Thiel geht es darum, Monopole aufzubauen, die dann ertragstechnisch bewirtschaftet werden können. 

Aber irgendwie hat Amazon als B2C Handels-Plattform nicht nur Freunde. Viele rufen zum Boykott auf, weil ihnen das Wachstum und die Abhängigkeit suspekt sind. Und Ertrag im Sinne einer Dividende bringt Amazon mit seiner Philosophie „Wachstum um jeden Preis“ auch nicht ein. Andere B2C Plattform Geschäftsmodelle wie die von Google oder Uber stehen ebenfalls in der Kritik, vor allem wegen ihrer Vormachtstellung. All dies sind Effekte, die als normale Zyklus-Gegenbewegungen schon deutlich vor der Covid-19 Krise begonnen haben.

Wie also wird sich die Corona-Krise auf Wertnetzwerke im B2B Bereich auswirken? 

Klassische Supply Chains

Die stark strukturierten Supply Chains in der Automobilbranche oder auch der Elektronikindustrie (Apple) sind Wertketten, aber eben keine Wertnetzwerke. Die Ketten werden von einem Wert-Hub – in diesem Fall dem (End-) Produzenten mit dem Markennamen, dem Automobilhersteller – organisiert und einseitig in Bezug auf Kosten optimiert. Effizienz und Kontrolle sind die wesentlichen Parameter. Das Ergebnis sind einseitig optimierte und damit wenig resiliente Wertschöpfungsketten, die unter dem Einfluss von Krisen oder Störungen leicht aus dem Gleichgewicht geraten.

B2B XaaS Modelle oder Plattformmodelle mit voll digitalisierten Kernprozessen stellen eine effiziente und dennoch resiliente Alternative zu den heute üblichen Wertschöpfungsketten der Industrie Supply Chains dar.

Aber schauen wir uns die konkreten Netzwerk-Mechanismen in digitalen XaaS und Plattform Geschäftsmodellen einmal genauer an. Die Systematik hierzu ist von Zhu und Iansiti beschrieben worden.

Clustering

Durch Sprach- und Logistik-Grenzen funktioniert eBay von Privat an Privat vor allem national. Das Privat zu Privat Geschäft von Ebay ist damit national geclustert. Es werden vor allem Privatpersonen innerhalb eines Landes durch Angebot und Nachfrage miteinander verbunden. 

Bei Uber sind die Cluster Städte. Die Vermittlung erfolgt innerhalb von Städten zwischen Taxi- Fahrern und Fahrgästen. Mit Booking.com kann ein privater oder Firmen-Gast dagegen in sehr einfacher Form auf Hotels und Unterkünfte weltweit zugreifen. Angebotsregeln werden vereinheitlicht und Risiken für den Gast reduziert. Booking.com hat damit kein Cluster Problem.

Clustering entsteht zum Beispiel durch lokale Vorschriften oder ist durch die Art der Leistung vorgegeben. Clustering auf einer Plattform könnte in Zukunft auch ein bewusstes Mittel eines Plattform Anbieters sein, um Infektions-Risiken zu minimieren.

Multihoming

Wenn die Leistung in hohem Maße vergleichbar ist und es mehrere sehr ähnliche Plattformanbieter gibt, kommt es bei Anbietern der Leistung und deren Konsumenten zum Multihoming. Die Angebote von Uber und Lyft können sowohl von Taxifahrern als auch von Fahrgästen parallel genutzt werden. Der Wert der Plattform – also des Wertnetzwerkes – sinkt dadurch enorm.

Disintermediation

Schon bei einer so einfachen Leistung wie eBay versuchen einige Zeitgenossen, direkten Kontakt zum Verkäufer aufzunehmen, um den Deal an den Ebay-Gebühren vorbei zu organisieren. Dieses Problem der Disintermediation verstärkt sich, wenn die Plattform eigentlich nur den Kontakt herstellt und keine weiteren Integrations-Leistungen erbringt oder organisiert. Im B2C-Umfeld kann dies die Zahlungsdienstleistung oder die Organisation der Logistik sein, oder auch ein Versicherungsschutz.

Bridging

Der gegenteilige positive Effekt ist das Bridging. Der Wert einer Plattform-Leistung kann durch die Verbindung zu anderen Plattformen oder Leistungen erheblich erhöht werden. eBay integriert die Leistungen mehrerer Logistikdienstleister und Zahlungsverkehrsanbieter sehr tief. Damit erhöht die Plattform den Nutzen für die eigenen Benutzer deutlich.

Nutzung von Wertnetzwerken im B2B-Umfeld

Im B2B-Umfeld wird es in den nächsten Jahren entscheidend sein, wie lokale und globale Netzwerke geschickt miteinander kombiniert werden können.

Hieraus ergeben sich völlig neue Wertangebote, wie das Startup Aisler im Bereich EMS (Electronic Manufacturing Service) zeigt. Auf der Aisler-Plattform können Elektronik Entwickler ihre Baupläne hochladen und verwalten und von dort aus Fertigungsaufträge für Platinen, Bauteile und fertig assemblierte Platinen vergeben. Ein Entwickler in Schweden kann dann zum Beispiel jeweils 100 Produkte direkt in Deutschland, in der Schweiz und in den USA fertigen lassen, ohne dass er lokale Vorschriften kennen und seine Waren an Grenzen verzollen muss.

Möglich wird dies durch die komplette Digitalisierung aller Schnittstellen-Prozesse bei der weiteren Verarbeitung der Konstruktions-Zeichnung, der Bauteile und des Fertigungsprozesses.

Durch eine (heute noch nicht vorhandene) Schnittstelle zu einem Distributions- und Vermarktung-Netzwerk könnte die weitere Verarbeitung und Bereitstellung der Endprodukte an Endkonsumenten on Demand und nahezu ohne Lagerbildung ausgebaut werden.

Solche digitalen B2B Wertnetzwerke bieten für unsere Post-Corona Wirtschaft völlig neue Möglichkeiten zur Risikosteuerung. Damit lassen sich globale Plattformen aufbauen, ohne die Risiken der heutigen Supply Chains einzugehen.

Globales Unternehmertum ist mit solchen digitalen B2B Plattformen also auch in Zeiten von Corona möglich und sinnvoll. Dazu müssen wir die bisher vor allem Effizienz-orientierten und dabei nur schwach digitalisierten Supply Chains umbauen in voll digitalisierte Netzwerk-orientierte Wertketten. 

Quelle: https://unsplash.com/photos/9mE5MQfXInE
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