Edge Computing: Dieser Hype versperrt uns den Blick auf die Zukunft der IT

10. Januar 2018

Zentrale oder dezentrale Datenverarbeitung – bald wird diese Unterscheidung überflüssig sein, weil sich zukünftig einheitliche Algorithmen darum kümmern werden.

Um einen möglichst genauen Blick in die Zukunft werfen zu können, braucht man Daten aus früheren Jahren und ein Modell, mit dem man sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft erklären kann. Ein solches Modell für die Verortung der Rechenleistung im IT-Bereich ist das Zentral/Dezentral-IT-Modell:

  • Früher waren Computer riesengroß und teuer, niemand konnte sie sich leisten. Das war die Zeit der zentralen Mainframes.
  • Dann kamen die preiswerten PCs und lokalen Netzwerke und damit auch die Client-Server-Architekturen. Die Daten blieben zentral in den Datenbanken, der Rechenprozess erfolgte jedoch dezentral auf den PCs/Clients.
  • Nach dieser Phase der Dezentralisierung sorgen nun die Cloud und die Hyperscaler dafür, dass sich die Rechenpower wieder in großen, zentralen Rechenzentren ansammelt.
  • Und wieder rufen die Trendforscher die Dezentralisierung mit dem Edge Computing aus und behaupten, dass nur so neue Trends wie autonomes Fahren möglich seien – schon alleine wegen der Latenzen.
  • Dann gibt es noch die Progressiven, die der Meinung sind, man könne diese beiden Strömungen mischen: Die Cloud geht nicht mehr ganz weg – die IT Welt wird hybrid (also zentral und dezentral).

Algorithmen bestimmen die Wertschöpfung – unabhängig vom Ort

Das Zentral/Dezentral-IT-Modell versperrt jedoch den Blick darauf, dass es in Zukunft ganz einfach egal sein wird, wo die Rechenpower steht. Denn kontrolliert und gemanagt wird alle Hardware in Zukunft von einheitlichen Algorithmen. Und diese Algorithmen bestimmen die Wertschöpfung – unabhängig vom Ort, an dem sie ablaufen, denn ein Algorithmus kann auch zu den jeweiligen Daten gebracht werden. Wer also heute transaktional Hardware verkauft, bewegt und durch lokale Tätigkeiten wartet, der wird auch in einer dezentralen Edge Computing-Welt keinerlei Bedeutung mehr haben. Die Wertschöpfung hängt in Zukunft an einheitlichen Algorithmen, für die es egal ist, ob sie zentral oder dezentral ablaufen – solange sie nur gleich sind.

Die Transformation der Business-Telefonie

Die Dramatik kann man ein wenig bei der Transformation der Business-Telefonie sehen. Es hat nicht nur die großen Netzwerk-Ausstatter erwischt (Siemens, Alcatel etc.), sondern auch die ganzen Unternehmen, die Telefonanlagen und ganz tolle Business-Telefone mit 1000 Funktionen hergestellt haben (DeTeWe, wieder Siemens).

Skype for Business, GoToMeeting oder Sipgate Team benötigen lediglich eine Internetanbindung und einen Client auf einem Smartphone, Tablet oder PC. Die gesamte Spezial-Hardware dazwischen und damit auch Märkte mit einem Multi-Milliarden Volumen sind nicht mehr existent.

Und weil die Oligopol-Anbieter nicht 100 Prozent der Märkte besitzen, aber faktisch proprietäre Technologie einsetzen, müssen wir User jetzt mindestens fünf verschiedene Programme zum Telefonieren auf unseren Geräten installiert haben. Denn neben der Business-Welt gibt es ja auch noch die Consumer-Welt mit Whatsapp, Facetime und Hangout.

Diese Welt der Telefonie/Kommunikation ist schon so weit serviciert, dass es auch den Kunden inzwischen egal ist, wo denn die Daten liegen.

Drinnen oder draußen – zentral oder dezentral: das sind die falschen Fragen!

Die klassische IT ist in vielen Bereichen noch nicht soweit. Hier wird noch darüber gestritten, wo bei der Datenhaltung drinnen und draußen ist und wem die Daten gehören, anstatt sich darauf zu konzentrieren und nachzudenken, wer die Kontrolle über den Datenfluss hat.

Zukünftige Consumption- oder Serviceorientierte Modelle in der IT werden die Wertschöpfung aller Hardware-Komponenten pulverisieren und die Datenflüsse kontrollieren und monetarisieren.

Das alte Zentral/Dezentral-Modell ist also für einen Blick in die Zukunft wenig hilfreich. Und am besten beschäftigt man sich mit anderen Dingen als Edge Computing oder Hybrid-IT.

Die Wertschöpfung aus dem alten Hardware-orientierten Geschäft werden sich sicherlich Amazon oder andere Hyperscaler einverleiben. Im Bereich Logistik vollzieht Amazon Logistik genau dieses Spiel aus dem Switch von gigantischen zentralen Lagern in jedem Land (purer Economy of Scale-Ansatz) hin zu immer kürzeren Latenzen gerade mit den vielen dezentralen Lagern und perfekten Algorithmen für Same-Day- und Ein-Stunden-Belieferung.

Doch zurück zur IT: auch das IT-Infrastruktur as a Service-Modell (Iaas) hat eine Schwachstelle: Denn der Mehrwert bzw. der Nutzen entsteht in den Algorithmen und der Integration verschiedener Softwaresysteme – und nicht in der Infrastruktur.

Es lohnt sich also, über die eigene Positionierung nachzudenken und die für das eigene Geschäftsmodell wesentlichen Algorithmen zu identifizieren.

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