So wird Apple zum Keyplayer für die Identifizierung digitaler Abläufe

15. Mai 2019

Nach außen hat Apple vor wenigen Wochen einen wichtigen Shift vom Hardware- Lieferanten zum as a Service-Provider vollzogen. Während Apple bei Musik und Video-Diensten nur ein Nachahmer ist, gibt es jetzt die Ankündigung für einen Spiele-Service: mit Zahlung einer Monatsgebühr erhält man Zugriff auf viele Spiele, ohne diese selbst kaufen zu müssen. Die einen lächeln noch, die anderen sehen diesen Schritt als fantasielos an, weil Apple vermeintlich nicht (mehr) in der Lage ist, ein neues „nächstes großes Ding“ vorzustellen.

Die Investoren sind mit dieser Veränderung scheinbar erstmal zufrieden, zumindest wenn man sich den Aktienkurs anschaut. Die Apple Fan Boys natürlich nicht, denn sie gieren nach neuen Gadgets und nicht nach neuen Perspektiven für das Geschäft.

Touch-ID und Face-ID – Wozu der Aufwand?

Doch mit dieser Ankündigung konnte Apple die Aufmerksamkeit erfolgreich wieder von den Inhalten ablenken, die das Geschäft mittel- und langfristig tragen werden: Die Erbringung von Identifizierungs-Leistungen. Technisch baut Apple seine Geräte zu biometrischen Identifizierungs-Maschinen aus. Über Touch-ID haben einige Sicherheits-Experten noch gelächelt. Und wir User haben uns gefragt, ob so ein Aufwand nötig ist, nur um unser Smartphone abzusichern.

Bei der Einführung von Face-ID gab es erneut Diskussionen über den Sinn und Unsinn solcher Features, nur um Smartphones abzusichern. Wenn man sich den Prozess im Detail anschaut ist der Technologie-Aufwand, der für jedes Entsperren des Telefons betrieben werden muss, schon Wahnsinn. Die neuesten Patente zeigen nun, dass Apple für den Mac an einer Retina Erkennung arbeitet und die Bilderkennungs-Sensoren in Zukunft sogar den Blutfluss in den Venen mit einbeziehen werden.

Will Apple wirklich nur das Beste für uns User und unsere Geräte indem sie mit dieser Identifizierungs-Technologie unsere Daten absichern?

Coole Features – und eine echte Win-Win-Situation

Wohl nicht – oder besser: nicht nur. Bereits seit 2014 ist die Richtung all dieser Bemühungen klar. Mit der Einführung von Apple Pay erhält Apple einen Anteil an der Transaktions-Gebühr der Zahlung. Spannend ist, wofür diese gezahlt wird: Es handelt sich nicht einfach um eine raffgierige Gebühr. Denn wieso sollten Banken diese unisono (außer in Deutschland) freiwillig zahlen? Immerhin erhält Apple seit 2014 für jede mit Apple Pay abgewickelte Zahlung 0,15 Prozent des Umsatzes als Identifizierungs-Dienstleistung.

In der komplexen Welt der Kreditkarten-Bezahlung wird zwischen „Card present“- und „Card not present“-Zahlungen unterschieden. Und Apple erhält diese Gebühr für die Authentifizierung des Karteninhabers gegenüber dem Händler, weil das Unternehmen damit aus vielen „Card not present“-Zahlungen die Risiko-ärmere „Card present“-Variante macht. Apple erbringt also eine Identifizierungs-Leistung für den Kreditkarten Anbieter.

Sehr cool an diesem Ansatz ist, dass wir als Verbraucher gerne für die Hardware-Features unserer Geräte bezahlen und Apple dann auf Basis dieser Hardware eine kostenpflichtige Service-Leistung erbringt.

Der nächste Schritt: Apples stiller Angriff auf die Banken

Apple hat damit bewiesen, dass sie weltweit ein skalierendes Identifizierungs-System aufbauen, ausrollen und monetarisieren können. Daher ist es jetzt an der Zeit, sich einen größeren Teil des Kuchens einzuverleiben und die Banken, die diese Leistungen früher erbracht haben, in Zukunft überflüssig zu machen: Daher gibt es jetzt (in den USA) eine Kreditkarte von Apple mit zwei Prozent Cashback bei beliebigen Händlern und drei Prozent für Käufe bei Apple selbst.

Mit diesem Schritt nimmt Apple den Banken ihre bisherige Einnahmequelle. Moderne Fintechs wie Revolut, Mones oder N26 leben von dieser Kreditkartenmarge und haben gar keine weiteren Einnahmequellen.

Für uns User punktet Apple weiter mit Sicherheit und Anonymität

Und Apple verspricht uns Verbrauchern noch etwas anderes: Anonymität gegenüber dem Händler beim Bezahlvorgang – so wie wir es beim Bargeld kennen. Wie es sich für einen Identifizierer gehört, nimmt Apple den Schutz unserer Daten sehr ernst. Aus dem Bank-Geheimnis wird in Zukunft also quasi das Apple-Geheimnis.

Genau dieses Vertrauen von beiden Seiten, also seitens der Industrie in die technischen Prozesse des Identifikations-Prozesses und von uns Verbrauchern in das Datenhandling ist erforderlich, damit Apple diese Sicherheits-Leistungen weiter ausbauen kann. Und genau das macht Apple: In einem Patentantrag geht es um die Identifizierungs-Leistung für elektronische Pässe. Zur Überprüfung der Merkmale des Benutzers ist dort neben Fingerabdruck, Gesicht und Retina nun auch von Stimmerkennung die Rede.

Warum die Identifizierungsdienstleistung doch nicht so neutral ist, wie es zunächst scheint

Wirklich bemerkenswert an diesem Vorgehen ist, dass Apple sich so nicht mit all den industriellen und staatlichen Stellen anlegt, die Identitäten verwalten wollen. Apple ist damit kein Identitäts-Provider, sondern eben der Dienstleister, der die Identifizierung vornimmt und damit (zunächst) neutral bleibt. Denn Apple kann in jedem Markt nach erreichtem Ziel auch die Seiten wechseln, so wie es gerade im Bereich der Zahlungs-Dienstleistungen geschieht.

Damit sehen Identitätsprovider wie Google und Facebook ebenso alt aus, wie die deutschen Versuche netID oder AdAlliance  – beide aus dem Medienumfeld. Denn netID und AdAlliance eifern dem – hier in Europa zum Glück langsam aber sicher in Verruf geratenden – Modell von Google und Facebook, unsere Daten zu verkaufen, eigentlich nur nach. Mit dem Unterschied, dass netID und AdAlliance die Vermarktung unserer Daten DSGVO-konform, also mit unserer Einwilligung, vornehmen wollen.

Während sich also die Medienbranche und die Werbevermarkter wie Facebook und Google um unsere Daten streiten und damit ihren Ruf aufs Spiel setzen, hat Apple ein paar Schritte weitergedacht und hält sich aus diesen zweifelhaften Märkten vornehm zurück.

Auch wenn man das Vertrauen der Industrie, der Behörden und der Verbraucher braucht und dafür erstmal eine Menge richtig machen muss: es wäre ja fatal, wenn es einem Weltkonzern nicht um das Geld verdienen ginge. Aber dieser Ansatz ist irgendwie geschickter und langfristiger als sich viele andere Unternehmen und Branchen um Digitalisierung kümmern.

Und Apple wird es freuen, dass diese Strategie noch nicht allzu viele erkannt haben. Wir Verbraucher und Marktbeobachter werden es an den nächsten Branchen-Beben live und in Farbe miterleben können.

Quelle:
Diesen Artikel teilen

Weitere Artikel

Podcast, Video
24. April 2024
Heute zu Gast bei einer ganz besonderen Folge von Impact X: Sebastian Kurz. Er war österreichischer Bundeskanzler und ist heute Unternehmer und Investor. Zusammen…
Articel, Podcast
10. April 2024
Kann uns Deutschland als europäischer Nationalstaat eigentlich noch eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive liefern? Können wir unseren aktuellen Wohlstand langfristig halten? Aktuell beschäftigen wir…
Podcast, Video
27. März 2024
Heute zu Gast bei Impact X: David Reger, Gründer und CEO von Neura Robotics, einem deutschen High-Tech-Unternehmen, das mit der Entwicklung kognitiver Roboter die…
Podcast, Video
24. April 2024
Heute zu Gast bei einer ganz besonderen Folge von Impact X: Sebastian Kurz. Er war österreichischer Bundeskanzler und ist heute Unternehmer und Investor. Zusammen…
Articel, Podcast
10. April 2024
Kann uns Deutschland als europäischer Nationalstaat eigentlich noch eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive liefern? Können wir unseren aktuellen Wohlstand langfristig halten? Aktuell beschäftigen wir…