Warum die meisten Unternehmen Veränderung und digitale Disruption falsch angehen

9. Januar 2019

Wenn es nach den selbst-ernannten Digitalisierungs- und Change Jüngern geht, sollen wir alle am besten sofort unsere Komfort-Zone verlassen, kreativ werden und die Welt digital disruptieren. – Echt jetzt?! Bitte nicht alle auf einmal. Jeder nur ein Kreuz.

Und dann kommt wieder ein Chef voller Tatendrang von so einer Beglückungs-Veranstaltung zurück und stellt sich vor die gesamte Mannschaft mit einer klaren Ansage zur dringend notwendigen Veränderung. Doch solche gutgemeinten Aufrufe bringen den Unternehmen nichts anderes als Verunsicherung, im besten Falle eine Saat von Misstrauen. Doch eines ganz bestimmt nicht: positive Veränderung.

Gezielte Innovation statt Aufrufe zu allgemeiner Veränderung

In den meisten Unternehmen (bis auf die reinen Sanierungsfälle) gibt es funktionierende Bereiche, die gutes Geld verdienen. Doch ein solcher Aufruf zielt auf eine große unternehmensweite Veränderung, also einen Wechsel vom bisher eingeübten Veränderungsprozess in vielen kleinen Schritten zu einer massiven ad-hoc Veränderung für alle.

Ist es da wirklich angebracht, die Menschen in einem Unternehmen, die mit stabilen und etablierten Prozessen Kunden zufrieden stellen und Geld verdienen, zu beschimpfen und von ihnen disruptive Veränderung zu fordern?

Wesentlich sinnvoller erscheint es doch, diesen Bereichen und den dort tätigen Menschen zu vermitteln, dass sie die aktuelle Basis sind und das Unternehmen ihre Konstanz und ihren Ertrag benötigt, um in einem anderen Bereich innovative Konzepte ausprobieren zu können.

Verunsicherung bringt man mit einem falschen Aufruf zur Veränderung aber nicht nur zu den Bereichen und Menschen, die am besten so weitermachen wie bisher, sondern auch zu denjenigen, von denen man innovative Veränderung erwartet. Denn diese Menschen fragen sich ja nach einem allgemeinen Aufruf, wieso die Kollegen in den anderen Bereichen nicht mitmachen. Das sät bei vielen Misstrauen und Unfrieden.

Vertrauen als Grundlage für Veränderung

Damit Veränderung gelingen kann, benötigen Menschen aber vor allem Vertrauen; also das Gegenteil von dem, was falsch und breit gestreute Chaka-Aufrufe hinterlassen.

Die Unternehmensführung hat in Zeiten der Veränderung vor allen die Aufgabe, Strukturen vorzugeben und Räume zu schaffen, in denen Veränderung stattfinden kann. Das mittlere Management kann diese Räume dann gestalten und Menschen, die sich und andere verändern wollen, an die richtigen Stellen geleiten.

Hierarchien sind dabei kein Schimpfwort, sondern geben Menschen Halt und Struktur. Und es ist der positive Wettstreit und Diskurs zwischen Hierarchie und Netzwerk, der ein Unternehmen, aber auch unsere Gesellschaft nach vorne bringt und dann im besten Fall zu einer disruptiven Veränderung führt.

Hierarchie als wesentlicher Strukturgeber

Unser Staat funktioniert trotz gewisser Subsidiarität hierarchisch; Mit Zuständigkeiten und Regeln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Die Funktionsweise von Firmen basiert ebenfalls auf dem Hierarchie-Prinzip; auch in Unternehmen, die das nicht wahrhaben wollen und ganz auf Anti-Hierarchie machen. In den wirklich digitalen Firmen wird die digitale Prozesskette von der Kunden-Bestellung über die Zahlung bis hin zur Auslieferung integriert digital abgewickelt. An dieser Stelle kann man dann die Menschen mit weniger Hierarchie einbinden, denn die festen Prozesse und Schnittstellen werden von Algorithmen absolut zuverlässig abgewickelt.

Branchen sind in dieser Betrachtung nichts anderes als Hierarchien zwischen Teilmärkten. Und auch unsere Vereine und selbst Familien funktionieren im Inneren hierarchisch.

Veränderung funktioniert über Netzwerke

Die Veränderung solcher hierarchischer Strukturen geschieht über Netzwerke. Kleine Zellen, die eine Idee in sich tragen und diese im gesamten Unternehmen oder einer Organisation verbreiten. Dieser Kern braucht eine klare Botschaft oder eine Geschichte, mit der er andere mitreißen kann. Das ist aktive Arbeit, mit vielen Gesprächen, in denen weiter an der Idee gefeilt wird.

Und es ist die Aufgabe eines guten Managements, solche Ideen und Geschichten zu erkennen, zu fördern und dann vor allem selbst bereit zu sein, die sich daraus ergebenden Veränderungen zuzulassen.

So kann man ein Unternehmen verändern. Nicht per Anordnung. Man braucht Gruppen von Menschen, die etwas bewegen wollen. Und die findet man nicht durch Chaka-Aufrufe!

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