Warum Diskriminierungs-Freiheit das völlig falsche Ziel für unsere digitale Gesellschaft ist

12. März 2020

Die Forderung klingt für eine soziale Gruppe oder Gesellschaft richtig und wichtig: Niemand soll als Person oder durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aufgrund von Wertvorstellungen oder auch aufgrund unbewusster Einstellungen oder Vorurteile benachteiligt oder herabgewürdigt werden.

Voraussetzung für Diskriminierung ist also zunächst das Bilden einer Gruppe, nach dieser Definition bis hin zu einer Gruppengröße von eins. Und genau mit diesem Gedanken haben wir irgendwann in den letzten Jahren in den vielen Diskussionen angefangen, einen Fehler zu machen: Beim Ansatz gegen Diskriminierung geht es im Kern um unterschiedliche Wertvorstellungen und nicht um Gruppenbildung. 

Doch diesen Grundgedanken haben wir irgendwie vergessen und so geht es in den meisten Diskussionen heute um Gruppenbildung.

Welche Wertvorstellungen liegen dahinter, wenn wir feststellen, dass es weniger weibliche Aufsichtsräte gibt als männliche? Ist es Werte-mäßig überhaupt erstrebenswert, dabei eine 50:50 Parität zu haben? Wie ist es bei Menschen, die auf Ölplattformen oder im Bergwerk arbeiten? Wer wird hier diskriminiert, wenn wir feststellen, dass in diesen Berufen mehr als 95 Prozent Männer arbeiten?

Das Bilden von Gruppen und Finden von Unterschieden ist die Basis für menschliche Entscheidungen. Intelligenz ist nichts anderes als die Fähigkeit Muster zu erkennen, also Klassifikationen (Gruppenbildung) vorzunehmen und Entscheidungen zu fällen. 

Digitale Diskriminierung durch Künstliche Intelligenz

Und unsere digitale Welt funktioniert genauso. Werbung von Google und ebenso die gerade hippen KI Systeme sind nichts anderes als Klassifizierer. Es werden riesige Datenmengen durchforstet und Gruppen gebildet. 

In den frühen Tagen der Informatik haben die Programmierer der Systeme die Gruppen noch vorgegeben; Künstliche Intelligenz bedeutet, dass die Algorithmen diese Klassen selbst finden. In den Big Data Projekten rund um den Globus entstehen also Datenseen (Datalakes), die uns Menschen und alles was wir tun in Gruppen einteilen. 

Aber diese Gruppen sind vor unseren Augen verborgen. Wir bekommen nur noch das Ergebnis einer Klassifizierung mitgeteilt: Zugang wird erteilt oder abgelehnt, es wird Kredit gewährt oder nicht, der User wird als richtiger Adressat für diese Werbung ermittelt oder nicht.

Bisher haben wir Menschen klassifiziert und dann Entscheidungen getroffen. Auf beide Prozesse haben wir Menschen seit dem Beginn des KI Zeitalters nicht mehr das Monopol. Auch Maschinen klassifizieren heute und fällen auf Basis dieser Daten Entscheidungen.

Die aktuelle Diskriminierungs-Diskussion führt sich selbst ad absurdum 

Parallel zu dieser technischen Entwicklung der Diskriminierung unserer Welt führen wir eine inzwischen völlig schräge Diskriminierungs-Diskussion. Da eine Diskussion über Werte-Entscheidungen komplex ist, vereinfachen wir die Diskussionswelt und fangen an, die Gruppenbildung per se zu verpönen. 

Aus unserer Unfähigkeit heraus, die falsche Wertbildung zu verhindern, wollen wir nun die Unterscheidbarkeit verhindern. Wir sollen nun also genderneutrale Formulierungen verwenden, damit sich die falsche Wertvorstellung erst gar nicht festsetzt. Das hört sich ein wenig nach Hexenverbrennung im Mittelalter an. (Buh, wie politisch inkorrekt!).

Konkret gibt es in der Diskriminierungs-Diskussion aktuell zwei Strömungen:

  • Wir versuchen Gruppenbildung zu verhindern, indem wir eine sprachliche Gleichschaltung vornehmen. Dies ist ein direkter Angriff auf unsere Intelligenz und die Funktionsweise unserer Spezies. Hier dürfen wir uns nicht weiter auf sinnlose Diskussionen einlassen!
  • Oder wir versuchen es mit dem Kunstgriff, Regeln zu erlassen, die zwischen den Gruppen Parität herstellen. Was kommt nach einer Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten? Religionsparität? Ethnische Parität? Oh – aber wir dürfen die jungen Menschen nicht diskriminieren. Mehr Kinder in die Aufsichtsräte!

Das eigentliche Ziel: Inklusion

Wenn wir im Eifer der Diskussion einmal innehalten und uns fragen, was das Ziel unserer Bestrebungen ist, könnte das die Gemüter vielleicht wieder beruhigen:

Was wollen wir in unserer Gesellschaft und in sozialen Gruppen erreichen? Es geht doch nicht darum, dass wir als Individuen „nicht ausgeschlossen“ werden; was wir eigentlich wollen, ist Inklusion!

Wir wollen als Individuen vorbehaltlose Teilhabe an der der Gesellschaft – und das unabhängig von irgendeiner Klassifikation oder Gruppe oder Merkmalen, die in der realen Welt sicher existieren.

Und diese Inklusion ist eine Einstellung von jedem von uns, die wir nicht mit Regeln durchsetzen können. Inklusion ist eine Haltung, die wir anderen gegenüber einnehmen können und dann auch von anderen erwarten dürfen!

Maschinen und KI werden uns in Zukunft diskriminieren, ohne dass wir alle Details davon mitbekommen. Wir werden keine Diskriminierung-freie Welt erschaffen können.

Drei Ansätze für echtes Miteinander 

Aber drei Dinge sollten wir uns vornehmen, um die Welt ein wenig besser zu machen:

  1. Nicht mehr über Diskriminierung diskutieren. Und bestimmt keine Regeln fordern, die angeblich Diskriminierungs-Freiheit ermöglichen. Denn jede solche Regel diskriminiert Gruppen weiterhin umso heftiger.
  2. Wir sollten im Rahmen des Einsatzes von KI- oder Experten-Systemen überlegen, ob das Ergebnis der Entscheidungen von Maschinen für einige Menschen oder Gruppen so hart und ungerecht sein kann, dass es in Summe besser wäre, in dem jeweiligen Bereich keine Klassifizierungs- und Entscheidungs-Maschinen einzusetzen.
  3. Stattdessen sollten wir ab jetzt über Inklusion sprechen; also überlegen, wie wir jedem Geschöpf auf diesem Planeten entsprechend seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten begegnen und positiv gegenübertreten. Wenn wir das tun, dürfen wir auch weiterhin unser Hirn zum Klassifizieren, Gruppieren und Entscheiden einsetzen!
Quelle: https://unsplash.com/photos/tD49mqo7sjE
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