Zalando oder warum deutsche Anleger keine echten digitalen Geschäftsmodelle verstehen

7. März 2018

Unter Akronymen wie FAANG, GAFA oder FAMAA sprechen wir ehrfurchts- oder unheilvoll über die – zumeist amerikanischen – Technologiegiganten. Lange Zeit waren es auch in Deutschland vor allem die Lieblinge der Anleger mit den Namen Facebook, Apple, Google (Alphabet), Microsoft, Netflix oder Amazon. Sie repräsentieren und besitzen Werte ganzer Volkswirtschaften und stehen unter Finanzaspekten für eine Vielzahl von Superlativen.

Gegenwind für die bisherigen Lieblinge

Endlich ist es uns Deutschen gelungen, einen negativen Pack-An zu finden; wir beschwören den Untergang der Anleger-Lieblinge: „Facebook, Amazon und Google haben jetzt mächtige Gegner.“
Gemeint sind Kartellbehörden und Datenschützer, die den subversiven Methoden der Monopolisten endlich den Garaus machen sollen. Da freut sich die deutsche Neidseele und bestätigt, was wir alle wussten: Es kann ja nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn wir alle freiwillig unsere Daten zu solchen Konzernen tragen und diese es schaffen, daraus Kapital zu schlagen, obwohl die Basisdienste von Google und Facebook kostenlos sind.

Nicht alle Technologiegiganten handeln mit Daten

Die Diskussion geht dabei am Kern vorbei. Es gibt nicht nur außergewöhnlich erfolgreiche amerikanische Digital-Unternehmen, sondern mit Alibaba, Tencent oder Baidu auch besonders erfolgreiche nicht-amerikanische Unternehmen. Auch diese sind in ihren Märkten Monopolisten, aber sie handeln klar nicht mit Daten, sondern haben allesamt datengetriebene, digitale Geschäftsmodelle.
Das dahinter liegende Geschäftsmodell ist bei allen gleich: Es sind digitale Plattform-Geschäftsmodelle. Plattform-Geschäftsmodelle verbinden (mindestens) zwei Märkte und schaffen mit ihrer Kernnutzen-Transaktion den eigentlichen Wert. Sie sind in der Regel Asset-los und bekommen damit Attribute wie Uber (der größte Mobilitätsanbieter ohne eigene Autos) oder Airbnb (der größte Übernachtungskonzern ohne eigene Hotels).

Der Plattform-Index als Skala für den Erfolg

Um den besonderen Erfolg dieser Giganten zu dokumentieren, hat Holger Schmidt im Jahr 2016 den Plattform-Index eingeführt. Er sammelt darin die Kurse der weltweit nach diesem Geschäftsprinzip operierenden Unternehmen und kann seit der Schaffung des Index nachweisen, dass Plattform-Unternehmen global erfolgreicher sind als alle anderen Indizes.
[selectivetweet]Plattform-Index = Erfolgsindikator[/selectivetweet]
Interessanterweise verfolgen nahezu alle Plattform-Unternehmen die gleiche Marktstory: Keinerlei Dividenden, sondern klarer Fokus auf die Wertsteigerung. Perfektioniert hat dieses Prinzip Jeff Bezos von Amazon. Der gesamte Konzern ist getrimmt auf eine schwarze Null. Alles Geld wird reinvestiert. Nur dieses Prinzip kann Geschwindigkeit garantieren und ermöglichen. Jeder Cent, der nicht in Wachstum und Geschwindigkeit fließt, ist fehlallokiert.

Zalandos scheinbare Negativ-Entwicklung

In diesem Plattform-Index gibt es ein einziges deutsches Unternehmen: Zalando. Im Jahr 2016 hat Zalando vom reinen E-Commerce-Unternehmen auf ein Plattform-Modell umgeschwenkt, das lokale Einzelhändler in ein integriertes Online-/Offline-Kauferlebnis einbindet.
Anstatt wie im Jahr 2017 244 Millionen Euro möchte Zalando in 2018 nun 350 Millionen Euro in den Geschäftsausbau investieren. Als Reaktion auf die Bekanntgabe dieser Zahlen ist der Kurs der Zalando-Aktie zur Belohnung um 5 Prozent abgesackt, weil das Management trotz fast 4,5 Milliarden Euro Umsatz nicht die avisierten 5 Prozent Gewinn erwirtschaftet hat und den Anlegern quasi eine Absage erteilt hat, jetzt auf Rendite-Wachstum umzusteigen.

Deutschland und die digitalen Geschäftsmodelle

Personalausbau, ein neuer Firmencampus und eigene Verteillogistik in mehreren europäischen Ländern sind für deutsche Aktionäre einfach keine guten Nachrichten.
In Deutschland belohnen wir Personalabbau à la Siemens bei ansonsten vorherrschender Phantasielosigkeit dann schon eher mit positiven Kursen – wenn denn die Ausschüttungsrendite stimmt.
Wie können wir in Deutschland von Digitalisierungs-Offensiven sprechen und von der Politik alles Mögliche fordern, wenn noch nicht mal die Aktienanleger die vor der Haustür liegenden erfolgreichen digitalen Geschäftsmodelle erkennen und wertschätzen können?
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